Mietrechtliche Resonanzen auf steigende Baupreise, Inflation, Zinswende

Verschärfte Rohstoffknappheit, steigende Verbraucherpreise und Zinsen führen auf dem Wohnungsmarkt derzeit zu Turbulenzen (Der Spiegel 2022). Der Wohnungsbau wird gebremst (s. Blogbeitrag) und auch von Vermieter*innenseite wird rasch reagiert. Im Mietrecht, das auf Bundesebene geregelt wird, tut sich jedoch nur wenig.

Wie reagieren Gesetzgeber*innen?

Zunächst wurde im April letzten Jahres der Berliner Mietendeckel vom Verfassungsgericht für nichtig erklärt. Rechtlich zuständig für diese Form der Regulation sei der Bund. Doch dort wird aktuell unter Entscheidungsträger*innen kaum mehr über einen generellen Mietenstopp gesprochen. Im November 2021 kippte das Bundesverwaltungsgericht das Vorkaufsrecht in Milieuschutzgebieten – ein wichtiges kommunales Instrument zum Schutz vor Verdrängung. Auf Drängen der Kommunalen Spitzenverbände und zahlreicher Städte, u.a. München, Hamburg und Berlin, wurde Ende April 2022 von der Bau-Ministerin Geywitz (SPD) einen Referentenentwurf zur Wiederherstellung des Vorkaufsrechts eingebracht. Kritik kam von Seiten der FDP, für die Staatseingriffe auf dem Wohnungsmarkt lediglich eine Ausnahme darstellen sollen und die sich für eine noch gründlichere Prüfung des Entwurfs aussprach. In der aktuellen Neufassung zum Vorkaufsrecht sind im Vergleich zur vorherigen Version einige Neuerungen enthalten. Unter anderem sieht der Entwurf folgende Ausnahme vor: „keine Einschränkungen [soll es] für Käufer geben, wenn eine gesetzlich vorgeschriebene Sanierung fällig wird – die Kosten hierfür kann der Eigentümer auf die Mieter umlegen“ (Süddeutsche Zeitung, 29.04.2022). Diese Ausnahme scheint vor dem Hintergrund der anstehenden Welle an energetischen Sanierungen für Mietende Konflikte bei Eigentümerwechsel vorzuprogrammieren.

Über diesen Beitrag:

Verfasst von Johanna Betz
Veröffentlicht am 05. Mai 2022

Links:

Mietenstopp-Gipfel in Bochum

Pressemitteilung: Bundesweiter Mietenstopp-Gipfel in Bochum

Infoblatt des Berliner Mietervereins zu Indexmieten

Bildquelle: Rasande Tyskar über Flickr

Die Mietpreisbremse ist ein wohnungspolitisches Instrument zur Dämpfung des Mietpreisanstiegs, dem im Koalitionsvertrag eine wichtige Rolle zukommt. Sie soll verlängert, transparenter gestaltet und verschärft werden. Das Vorhaben scheint jedoch auf wackligen Beinen zu stehen: Ebenfalls im April 2022 lehnte Bundesjustizminister Marco Buschmann eine Bundesratsinitiative von Bayerns Justizminister Georg Eisenreich (CSU) zu höheren Bußgeldern bei Mietwucher ab. Der Vorlage zugestimmt haben hingegen das Bundeswirtschaftsministerium, geführt von Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen), und das von Clara Geywitz (SPD) geführte Bauministerium. Von Eisenreich hieß es daraufhin: „Offensichtlich nimmt Bundesjustizminister Marco Buschmann die Sorgen von Mieterinnen und Mietern nicht ernst“ (Frankfurter Rundschau, 11.04.2022). Später wurde die Aussage des Bundesjustizministeriums relativiert: Die Meinungsbildung in der Bundesregierung sei noch nicht abgeschlossen.

Wie reagieren Vermieter*innen?

Vor dem Hintergrund der aktuell steigenden Inflation, die im April 2022 auf den Wert von 7,4% geklettert ist, gewinnt ein Mietpreisgestaltungsmodell an Popularität, das lange kaum Anwendung fand und von der Mietpreisbremse nur geringfügig tangiert wird: Die Indexmiete (§557b BGB). Gewöhnlich – wenn es sich eben nicht um Staffel- oder Indexmietverträge handelt – gibt es für die Gestaltung der Miethöhe und deren Erhöhung zwei Grenzen: die ortsübliche Vergleichsmiete und die Kappungsgrenze. Letztere verbietet in laufenden Verträgen Mietsteigerungen von mehr als 20% in drei Jahren, in Gebieten mit angespannten Wohnungsmärkten von mehr als 15%. Bei Indexmietverträgen orientiert sich die Mietpreissteigerung hingegen an der Entwicklung der Verbraucherpreise. Sie können alle 12 Monate angepasst werden. Die Mietpreisbremse muss bei Indexmieten nur bei der Ausgangsmiete berücksichtigt werden. 2020 hieß es auf der Seite des Berliner Mietervereins noch: „Für die Masse der Mieter, die in den Genuss regelmäßiger Einkommensanpassungen kommen, dürften Mietsteigerungen im Rahmen des Lebenshaltungskostenanstiegs leichter zu verkraften sein, als die häufig erheblichen Mietsprünge im Rahmen der Vergleichsmiete“.

Mittlerweile hat sich die Situation verändert und in vielen Städten wird seit einiger Zeit ein Anstieg dieser Mietvertragsvariante beobachtet. Laut Haus und Grund München enthalten bereits „60 bis 70 Prozent der Neuverträge im Großraum München […] eine Indexregelung“ (Süddeutsche Zeitung, 13.04.2022). In der Süddeutschen Zeitung ist zu lesen: „Kaum mehr eine Neuvermietung, etwa in Hamburg oder München, bei der der Vermieter nicht einen Vertrag präsentiert, der an die Inflationsrate gekoppelt ist“ (Süddeutsche Zeitung, 02.05.2022). Eingeführt wurde die Indexmiete 1993 von der Schwarz-Gelben Bundesregierung (Einführung des damaligen § 10 a Miethöhegesetz). Damals befand sich die Inflation auf einem relativen Höchststand (s. Abb. 1: Entwicklung der Inflationsrate ab 1950). Als Wertsicherungsklausel verfolgt die Indexmiete das Ziel, die „die Höhe einer Geldschuld von dem Preis oder einer Menge anderer Güter oder Leistungen abhängig machen“ (Ormanschick 2021). Bei der Modernisierung des Mietrechts durch das Mietrechtsreformgesetz im Jahr 2001 wurde sie reformiert. Die Vertragsfreiheit bei Mietverträgen wurde gesteigert und u.a. die bis dahin vorgesehene Festlegung der Laufzeit von Staffel- und Indexmieten gestrichen (Egner et al. 2004: 57).

Lange fand die Indexmiete wenig Anwendung, da die moderate Entwicklung der Verbraucherpreise sie für Vermieter*innen unattraktiv machte. In der aktuellen Situation ermöglicht die Regelung, dass Vermietende die finanziellen Risiken der Inflation auf Mietende umlegen können. Der Mieterbund forderte daher jüngst Kappungsgrenzen auch für Indexmietverträge. Für eine umfassendere Analyse der gesellschaftlichen Auswirkungen der Indexmiete, müsste bekannt sein, wie viel Prozent aller neu abgeschlossenen und bestehenden Mietverträge Indexmietverträge sind – welche Strategien unterschiedliche Eigentümertypen, wie Privatvermieter und finanzmarktorientierte Wohnungsunternehmen einschlagen, und über welche Arbeitsverträge die Mietenden verfügen. Eine entsprechende Studie liegt bisher nicht vor.

Wie reagieren zivilgesellschaftliche Akteure?

Vieles deutet darauf hin, dass sich die Anspannung auf dem Wohnungsmarkt für diejenigen, die auf bezahlbaren Wohnraum angewiesen sind, noch weiter zuspitzen wird. Von zivilgesellschaftlicher Seite wurde daher im April ein Mietenstopp-Gipfel in Bochum organisiert. Im Vorfeld der Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen kamen in dieser Stadt, in sich die Konzernzentrale des größten, börsennotierten Wohnungsunternehmens Vonovia SE befindet, zahlreiche hochkarätige Vertreter*innen von Sozialverbänden, Gewerkschaften, aus Wissenschaft, Politik und sozialen Bewegungen und dem Deutschen Mieterbundes zusammen, um im Rahmen eines dreitägigen Treffens und einer Demonstration Forderungen zu diskutieren und an staatliche Stellen zu adressieren: Sie plädieren für rasche Maßnahmen gegen die Wohnungsnot und sehen unter anderem einen sechsjährigen Mietenstopp als notwendige Maßnahme an, um kurzfristig der Wohnungsnot etwas entgegen zu setzten (Zeit online, 24.04.2022).

Quellen

Egner, Björn; Georgakis, Nikolaos; Heinelt, Hubert; Bartholomäi, Reinhart C. (Hrsg.) (2004): Wohnungspolitik in Deutschland. Positionen, Akteure, Instrumente. Schader-Stiftung. Darmstadt.

Frankfurter Allgemeine Zeitung (11.04.2022): Materialmangel legt Baustellen lahm. Online verfügbar unter https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/unternehmen/mangel-an-baumaterial-legt-baustellen-lahm-17945900.html.

Frankfurter Allgemeine Zeitung (27.04.2022): 400.000 neue Wohnungen im Jahr? „Illusorisch!“. Online verfügbar unter https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/neubau-offensive-ist-illusorisch-wohnungsunternehmen-warnen-17982570.html, zuletzt geprüft am 05.05.2022.

Frankfurter Rundschau (11.04.2022): Ampel blockiert Verschärfung der Mietpreisbremse – auf Initiative der FDP. Online verfügbar unter https://www.fr.de/politik/mietpreisbremse-deutschland-ampel-koalition-verschaerfung-csu-fdp-ampel-blockade-mietwucher-news-91471625.html, zuletzt geprüft am 25.04.2022.

Neue Zürcher Zeitung (25.04.2022): Auf dem deutschen Immobilienmarkt wird Eigenkapital aus dem Nichts geschaffen. Wie lange geht das noch gut? Online verfügbar unter https://www.nzz.ch/wirtschaft/deutsche-immobilienblase-wo-schlaegt-der-blitz-zuerst-ein-ld.1679549, zuletzt geprüft am 05.05.2022.

Ormanschick, Heiko (2021): § 557b Indexmiete. In: Jürgen Herrlein, Kai-Oliver Knops, Lea Spiegelberg und Andrik Abramenko (Hrsg.): Kommentar zum Mietrecht. Berlin, Heidelberg: Springer, S. 675–693.

Spiegel, Der (27.01.2022): Wohnungsnot in Großstädten: Wie Investoren den sozialen Wohnungsbau verändern. Online verfügbar unter https://www.spiegel.de/wirtschaft/wohnungsnot-in-grossstaedten-wie-investoren-den-sozialen-wohnungsbau-veraendern-a-fb1515e6-0cf6-4503-a16c-c5c92fb23ccd, zuletzt geprüft am 04.05.2022.

Spiegel, Der (18.04.2022): Prognose wegen Ukrainekriegs: Wohnungsbau könnte nächstes Jahr massiv einbrechen. Online verfügbar unter https://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/wohnungsbau-koennte-naechstes-jahr-massiv-einbrechen-a-4d8f2bfc-f30c-47b4-8c86-4a14f9c1edf3, zuletzt geprüft am 25.04.2022.

Süddeutsche Zeitung (13.04.2022): Indexmiete: Mehr Vermieter schließen Index-Mietverträge ab. Online verfügbar unter https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/indexmiete-berechnen-inflation-1.5565728, zuletzt geprüft am 25.04.2022.

Süddeutsche Zeitung (29.04.2022): Wohnungen: Bauministerin präsentiert Entwurf für Vorkaufsrecht. Online verfügbar unter https://www.sueddeutsche.de/politik/geywitz-gesetzentwurf-vorkaufsrecht-1.5575538, zuletzt geprüft am 05.05.2022.

Süddeutsche Zeitung (02.05.2022): Indexmiete und hohe Inflation: Was Mieter tun können. Online verfügbar unter https://www.sueddeutsche.de/kolumne/indexmiete-inflation-wohnen-kosten-1.5576486, zuletzt geprüft am 05.05.2022.

Zeit online (24.04.2022): Mietenstopp-Gipfel fordert rasches Handeln. Online verfügbar unter https://www.zeit.de/news/2022-04/24/mietenstopp-gipfel-fordert-rasches-handeln.

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