„Da muss das Land eigentlich den Druck auf die KV ausüben und nicht auf uns.“

Im Folgenden illustrieren einige Interviewpassagen aus einem Gespräch mit einem Bürgermeister die Herausforderungen, die sich für Kommunalpolitiker im Spannungsfeld des Landarztmangels ergeben. Zunächst wird auf die Mechanismen der lokalen Adressierung und anekdotisch auf spezifische Niederlassungsfragen eingegangen. Im Anschluss wird das eigene Engagement kritisch reflektiert und auf die Abwehrreaktionen der KV hinge-wiesen. Abschließend formuliert der Bürgermeister einige Forderungen, insbesondere mit Blick auf die Landespolitik und deren bis dato als Abwälzen empfundene Problembearbeitung.

Wie kommt die Thematik der vertragsärztlichen Versorgung auf Ihren Schreibtisch?

Man hört es auch hier im Hause. Bei mir im Rathaus gibt es Mitarbeiter, die haben keinen Hausarzt mehr und alle sagen: „Wir nehmen keine neuen Patienten mehr, wir sind voll.“ […] Man hört es ja jetzt immer mehr auch in persönlichen Gesprächen mit der Bevölkerung, dass man eben weniger oder gar keine Arzttermine kriegt. […] Es wird aber im Moment noch nicht so sehr öffentlich diskutiert. Aber das wird kommen. Das wird auch glaube ich nicht mehr so ganz lange dauern.

Es gab hier bei mir von einem Ärzteehepaar die Überlegung in eine Praxis mit einzusteigen, in eine Hausarztpraxis] […] Sie haben sich ein Haus gekauft [… und] ein privates Wohnhaus gebaut. Und dann kamen sie irgendwann und sagten: „Wir können uns das alles gar nicht mehr leisten.“ […] Der Mann musste auch noch seine Facharztausbildung als Allgemeinmediziner nachmachen, weil er in dem Moment im Krankenhaus beschäftigt war, als Anästhesist.
Kurze Zeit später ist eine Ärztin, die erst vor kurzem eine Praxis übernommen hatte, gestorben. Die war erst gut 40 Jahre alt, also die hätte noch 20 Jahre locker bei uns als Hausärztin tätig sein können. Ich denke: „Mensch, irgendwie kann das so nicht weitergehen.“
Dann gibt es in der Nachbargemeinde […] einen Hausarzt, der aufgehört hat. Die Praxis hat dann tatsächlich ein Arzt übernommen, der ist schon fast 80. Der ist topfit, aber, der ist da jetzt nochmal eingestiegen, damit dieser Ortsteil überhaupt noch einen Arzt hat. Er macht glaube ich drei Tage die Woche und ein Kollege, der ist über 70, der macht die anderen Tage. […] Das hat natürlich keine Zukunft. Das dauert nicht lange, dann können die das nicht mehr. Und so ist der Bedarf an Hausarztsitzen natürlich immer größer.
Das muss man dazu sagen: Unsere Einwohnerzahlen steigen. Ich will nicht sagen, sie schnellen in die Höhe, aber gerade wir hier […] waren […] die Gemeinde [im Bundesland] mit dem größten Einwohnerwachstum. Prozentual gesehen. […] Und das heißt natürlich auch, dass ich für die Infrastruktur sorgen muss und dazu gehören eben auch Ärzte.

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Verfasst von Andrea Futterer
Veröffentlicht am 5.07.2022

Sie finden die aufbereiteten Interviewpassagen auch in einem herunterladbaren PDF im Bereich „Materialien und Publikationen

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Skizzieren Sie bitte Ihr Engagement. Wie sind Sie in der Vergangenheit aktiv geworden und mit welchen Herausforderungen sind Sie in Ihrem Handeln konfrontiert?

Jetzt war bei mir letztendlich die Frage: Wie können wir denn Ärzte motivieren, [hierher zu kommen]. Ich habe meinen Gremien vorgeschlagen, dass wir tatsächlich erstmal versuchen über Geld, Ärzte herzubringen. Eigentlich ist das nicht das, was ich will. Denn ja, Ärzte zu haben, ist Daseinsvorsorge und dafür sind eigentlich die Kommunen zuständig, aber die Ärzteversorgung ist Sache der KV. Und wenn ich jetzt gleich ordentlich schimpfe auf die KV, müssen Sie mir nicht böse sein, weil die Leute habe ich ordentlich gefressen. Die mag ich gar nicht [lacht] […]. Auf jeden Fall habe ich meiner Politik vorgeschlagen, ein Förderprogramm auf den Weg zu bringen, dass wir bei Ansiedlung eines Arztes […] mit 50.000 € subventionieren. Das ist für eine kleine Gemeinde wie meine eine Menge Geld. Im Gegenzug muss der Arzt sich verpflichten, oder derjenige, der das Geld bekommt, zehn Jahre lang diesen Sitz aufrechtzuerhalten. […] Das muss jetzt im Juni noch-mal durch den Gemeinderat und dann haben wir dieses Förderprogramm tatsächlich auf dem Markt.

Ich habe damit bislang […] mit noch gar nicht so vielen Leuten gesprochen, weil ich das so ein bisschen hinter dem Berg halten wollte, weil ich mir einen Wettbewerbsvorteil erhoffe, wenn wir damit anfangen.
Ich muss ganz ehrlich sagen, ich kann nicht wirklich abschätzen, ob es denn wirklich am Geld liegt. Ich hoffe nicht, dass […] wir jetzt ein Förderprogramm auflegen, aber dass es niemanden reizt, deshalb hierher zu kommen. Das kann natürlich passieren. Dann werden wir uns eine Alternative überlegen müssen. Da muss man tatsächlich gucken, ob man in den Beton investieren muss und nicht in die Ärzte selbst.

Vom Grundsatz her bin ich eigentlich der Meinung, die KV muss sich kümmern und nicht wir Gemeinden. Nur es wird immer mehr auf die Gemeinden abgeschoben. Einige Gemeinden bauen ganze Ärztehäuser, übernehmen für die Ärzte schon mittlerweile die Buchführung und solche Geschichten. Nur das ist eigentlich nicht unsere Aufgabe und die will ich mir eigentlich auch nicht ans Bein binden. […] Ich bin der Meinung, dass die KV und auch das Land […], sich das eigentlich ziemlich leicht macht und sagt: „Ja, die Gemeinden sind zuständig für die Daseinsvorsorge, dann sollen die mal sehen, dass sie Ärzte dahin kriegen.“ Genau das sehe ich eben nicht so.

Sind Sie von sich aus auf die KV zugegangen? Sie erwähnten ein konfliktives Verhältnis. Würden sie das erläutern.

Mit der Kassenärztlichen Vereinigung habe ich […] ein Problem. Wir hatten hier mal einen Facharzt und der wollte seine Kassenzulassung abgeben in die Nachbargemeinde und wollte dann nur noch als Privatarzt weitermachen. Das passte mir natürlich nicht, weil ich den Arztsitz gerne erhalten wollte. Ich habe versucht mit der KV irgendetwas hinzukriegen […]. Ich habe lange diskutiert am Telefon, bis man mir dann irgendwann gesagt hat: „Wer sind Sie eigentlich?“ Ich sagte: „Wie, ‚wer sind ich eigentlich‘? Ich bin immer noch der Bürgermeister dieser Gemeinde. Das habe ich Ihnen doch gesagt.“ „Ja, aber mit den Bürgermeistern dürfen wir gar nicht reden, wir reden nur mit Ärzten. […] Ansonsten darf ich Ihnen aus datenschutzrechtlichen Gründen gar nichts mehr sagen.“ Da habe ich gedacht, das kann doch nicht richtig sein.

Dann hatte ich einen zweiten Fall. Wir haben einen Kinderarzt. […] Der wollte auch neu bauen. Und der Kinderarzt [spricht] nicht ganz so gut deutsch. Seine Frau schon, aber die kennt sich mit dem […] Kram, was mit Bank und solchen Geschichten angeht nicht so aus. Sie haben mich gebeten, ob ich nicht ein bisschen helfen könnte und gefragt, ob es denn irgendwelche Fördergelder gibt. Dann habe ich wieder bei der KV angerufen und habe gefragt, was es gibt. Ne, ne, dann soll ich doch bei der Bank anrufen, die könnten mir das doch ja auch sagen. Ich sage: „Ja es gibt doch aber auch etwas von der KV an Fördergeldern und, und, und“. „Das sagen wir Ihnen nicht, das sagen wir nur dem Arzt.“ Ich sage: „Der hat mir alles hierhergelegt, von der Bauzeichnung über den Finanzierungsplan bis hin zu was weiß ich. Und Sie sagen mir, Sie wollen nicht mir reden, Sie würden nur mit dem Arzt reden?“. „Ja, wir reden nur mit Ärzten.“ [lacht]. […] Das ist letztendlich die KV. Also mit denen komme ich irgendwie nicht klar. Das finde ich eigentlich sehr schade, weil sie sich immer hinstellen als wären sie ja der große Kooperationspartner der Gemeinden. Aber ich finde es gerade in unserem Bereich sehr unglücklich.

Ich finde, die KV müsste keine reine Ärztevereinigung mehr sein, sondern es müsste eine öffentliche Einrichtung sein, wo, ich sage jetzt mal, kraft Gesetzes meinetwegen auch Landtagsabgeordnete mit in einem Gremium drin sind, wo auch kommunale Vertreter sind, die es ja letztendlich auch angeht. Also es müsste schon ein Organ geben bei der KV sein, und zwar nicht nur auf Landesebene, sondern auch in den kleineren Behörden oder in den kleineren Einrichtungen, die sie haben, in den Regionalstellen und so weiter. […]
Sie laden uns hin und wieder mal ein und erzählen uns, was es so alles Neues gibt und wie toll sie aufgestellt sind, aber ein Mitspracherecht haben wir gar nicht. Und das könnte viel-leicht eine Lösung sein. Dann ist es ein gemeinsames Problem […]. Nur im Moment sehe ich das eher noch nicht. Die wollen sich da eben wie gesagt nicht reinreden lassen.

Erfahren Sie Unterstützung seitens des Landes oder arbeiten sie mit umliegenden Kommunen zusammen?

Es wird auf die Kommunen abgewälzt. Und das halte ich für nicht richtig. Es geht auch mit den Gesundheitsreformen immer mehr in Richtung der Kommunen. Dass man diese MVZs errichten kann, die am Anfang immer nur Außenstellen von Krankenhäusern waren. Mittlerweile sind es eben teilweise kommunale Einrichtungen. […] Die Gemeinden sind natürlich noch sehr zögerlich, denn diese Mammutaufgabe will man sich nicht tat-sächlich ins Haus holen. […] Das ist schon auch ein Gebiet, was völliges Neuland für die Gemeinden ist.
Im Moment kocht wirklich noch so ein bisschen jeder sein eigenes Süppchen. Es wird natürlich auf Kreisebene immer ein bisschen nachgedacht, wie man was verbessern kann. Über die Kommunalspitzenverbände in irgendwelchen Arbeitskreisen ist das [Thema] natürlich sehr allgemein gehalten. […] Letztendlich haben wir immer nur eine Chance über die kommunalen Spitzenverbände. Wenn wir da Gesetzesentwürfe bekommen oder ähnliches. Es gibt auch einen Arbeitskreis, der sich damit beschäftigt. Eben auch da können wir immer nur auf das Land eingehen. Nur, die Not liegt ja nicht beim Land, die Not liegt bei den Gemeinden. Denn, wir müssen den Druck aushalten hier von der Bevölkerung und dann hat man immer so ein bisschen das Gefühl, das prallt auch ein bisschen von den Landesregierungen ab.

Und die Landesregierungen – so habe ich es auch aus den Nachbarbundesländern gehört – versuchen ja Studienplätze zu schaffen und von oben irgendwelche Dinge zu machen. Aber da kommt so ganz viel irgendwie noch nicht bei rum, weil sie Angst haben, dass es Geld kostet. Und für die Landesregierung ist es natürlich der bequemere Weg, wenn die Gemeinden jetzt anfangen und solche Ärztehäuser bauen und sonstige Dinge. Dann müssen sie sich nicht mehr mit der KV oder sonstigem auseinandersetzen. Denn sie müssten ja die KV unter Druck setzen und sagen: „Liebe Leute, nun macht mal, seht zu, dass ihr da irgendetwas hinkriegt!“. Klar gibt es von denen auch ein Förderprogramm, Unterstützung, wenn man eine Praxis baut und so weiter. Aber das ist nicht genug. Und da muss das Land eigentlich den Druck auf die KV ausüben und nicht auf uns.

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